Heute ist das chinesische Neujahrfest, dem bedeutendsten Feiertag in China. Und mit dem heutigen Tag beginnt das Jahr der Schlange. In der chinesischen Kultur besteht eine enge Verbindung zwischen der Schlange und dem Drachen, dem nationalen Symbol Chinas. Oftmals sind die beiden in den Darstellungen auf archäologischen Funden nicht klar voneinander zu unterscheiden. Ähnlich dem Drachen war die Schlange ein bedeutendes Motiv in der chinesischen Geschichte, jedoch mit wechselnden symbolischen Bedeutungen. Im "Shuowen Jiezi" (说文解字), einem grundlegenden Nachschlagewerk über chinesische Schriftzeichen aus dem zweiten Jahrhundert, erwähnt der Autor Xu Shen, dass die Menschen Schlangen fürchteten und sich bei der Begrüßung gegenseitig fragten, ob sie kürzlich Schlangen gesehen hätten. Dies deutet auf die häufige Präsenz der Tiere im täglichen Leben hin. Im Laufe der Geschichte wurden Schlangen in China sowohl verehrt als auch gefürchtet. Sie symbolisierten Fruchtbarkeit und Weisheit, wurden aber auch mit Gefahr und Täuschung in Verbindung gebracht. Diese duale Symbolik spiegelt die komplexe Beziehung der chinesischen Kultur zu Schlangen wider.
Die frühesten bekannten kulturellen Relikte im Zusammenhang mit Schlangen lassen sich bis vor fast 8.000 Jahren im Nordosten Chinas zurückverfolgen, wo auf einem zylindrischen Keramikgefäß aus der Chahai-Stätte in Fuxin in der Provinz Liaoning ein Motiv einer Schlange abgebildet ist. Schlangenmuster existierten während der Jungsteinzeit weiter, wie auf Gefäße der Yangshao-Kultur im Mittellauf des Gelben Flusses, die 5.000 bis 7.000 Jahre alt ist, bis hin zur Liangzhu-Kultur am Unterlauf des Jangtse-Flusses vor 5.300 bis 4.000 Jahren. Ein bedeutendes Museum zur Liangzhu-Kultur konnte ich im letzten Jahr in Hangzhou besuchen. Hier meine 3 Reiseberichte dazu:
Ein Jadekunstwerk, dessen Zweck bis heute nicht sicher geklärt ist
Eine wesentliche Aufwertung fand am Ende der Jungsteinzeit statt, als der Status der Schlangen rasch anstieg und sie zu einem göttlichen Symbol erhoben wurden. Archäologen haben in der Erlitou-Kultur, einer bronzezeitlichen Kultur am Mittellauf des Gelben Flusses, die vom 18. bis 16. Jahrhundert v. Chr. existierte und vermutlich mit der Xia-Dynastie (ca. 21. Jahrhundert bis 16. Jahrhundert v. Chr.) in Verbindung gebracht wird, Schlangen als besonders wichtiges Motiv entdeckt, das auf außergewöhnlichen Artefakten zu sehen ist. Während ein Fund der Erlitou noch unter Wissenschaftlern Diskussionen um das Motiv ob Schlange oder Drache auslöst, erhielten Drachen ab der Shang-Dynastie (ca. 16. Jh. - 11. Jh. v. Chr.) und der westlichen Zhou-Dynastie (ca. 11. Jh. - 771 v. Chr.) Geweih und Krallen und konnten so von Schlangenmotiven besser unterschieden werden. Als das Bild des Drachens immer dominanter auftauchte, wurde der Schlange allerdings weniger Aufmerksamkeit geschenkt und ihre Göttlichkeit durch den Drachen geraubt. Seit der Zeit der Streitenden Reiche (475-221 v. Chr.) wurden Schlangen manchmal als böse Kreaturen angesehen, die die Toten stören könnten. Folglich zeigten Grabartefakte häufig Wächterbestien, die Schlangen kauten oder zertrampelten, um ihre Nähe zu den Gräbern abzuwehren. In einem Mythos aus der Han-Dynastie (206 v. Chr. - 220 n. Chr.) tötete Kaiser Liu Bang, der Gründer der Dynastie, eine Schlange, als er noch ein einfacher Beamter der Qin-Dynastie (221-206 v. Chr.) war und stürzte damit symbolisch das Qin-Regime. In der Han-Dynastie erschienen Schlangen auch häufig auf Mustern von Xuanwu, einem chinesischen Fabelwesen, das als Schlange und Schildkröte dargestellt wird. In den folgenden Dynastien tauchte die Schlange seltener auf kulturellen Relikten auf, verblieb aber immer noch als eines der 12 Tiere des chinesischen Tierkreises. Und somit feiern die Chinesen heuer den Beginn des Jahres der Schlange.
Fotos von Schlangenrelikten und Quelle: Snake sticks its fangs into myth and culture